Holzindustrie Hertwig/Auto GmbH Gütermann
„Für Holz konnte ich mich noch nie sonderlich begeistern, aber Autos mag ich sehr. Nun hat sich mir die Möglichkeit geboten, die Firma „Holzindustrie Hermann Hertwig“ zu kaufen. Ich habe mir die Räumlichkeiten bereits angeschaut, mit einigen Umbauarbeiten lassen sich dort auch Autos reparieren. Für meine Familie wäre nun, nach dem ärgerlichen Brauhaus- Vorfall, wieder gesorgt und ich könnte meiner Mutter ein eigenes Haus kaufen.“
Pläne, die Dr. phil. Eugen Gütermann (*1884) sich Ende der 1929er Jahre wohl gemacht hat, denn schon 1930 ist die ehemalige Holzindustrie unter der Branchenabteilung Automobilhandlungen zu finden. Eugen Gütermann leitet nun die „General Motors Generalvertretung“ und konnte 1933 auch ein Haus für seine Mutter, Fanny Gütermann (*1855), erwerben. Sein Glück hält jedoch nicht lang an. 1936 geht die Automobilhandlung in den Besitz einer anderen bekannten Persönlichkeit Saalfelds über. Dr. Ernst Hüther, der Besitzer der großen Saalfelder Schokoladenfabrik Mauxion, ist nun Grundstückseigentümer und lässt die Automobilhandlung 1938 erweitern. Zudem erfolgt die Umbenennung der Firma in „Autohof GmbH“, welche in den Kriegsjahren Fahrzeuge militärtechnisch aufrüstete. Es ist davon auszugehen, dass Gütermann seine Anteile an der Automobilhandlung nicht freiwillig aufgab, sondern wahrscheinlich unter Wert verkaufen musste. Gütermann war als Jude gebrandmarkt und wurde auf dieser nichtigen Grundlage systematisch aus Geschäften ausgeschlossen.
Gütermann fühlte sich stets als Deutscher, auch sah er den durch die Nazis aufgezwungenen, zusätzlichen Vornamen „Israel“ als unrechtmäßig an. Es ist ein Schriftstück Gütermanns an den Bürgermeister und die Polizeiverwaltung erhalten, in dem er schreibt: „Da ich, obwohl aus evang. Familie stammend, nach dem Gesetz als Jude gelte, muss ich der Polizeibehörde meines Aufenthaltsortes melden, dass ich den zusätzlichen Vornamen führe. [gez.] Gütermann“.
Trotz Gütermanns Anstrengungen, nicht als Jude wahrgenommen zu werden, wurde der 1884 geborene Doktor, Ehemann und Vater von vier Kindern 1944 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Die Einstufung Gütermanns, nach den durch die Nazis begründeten Nürnberger Rassengesetzen, als „Volljude“ und der Umstand, dass die Deportation als Einzeltransport erfolgte, macht deutlich, wie willkürlich und nach Belieben Einzelner, Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus enteignet, entehrt, verschleppt und ermordet wurden. Fünf Monate nach seiner Deportation nach Theresienstadt wird Dr. phil. Eugen Gütermann ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verlegt, wo er seitdem als „verschollen“ gilt.
Auch die Gütermann-Kinder hatten zeit ihres Lebens sehr mit den Anfeindungen gegen ihren Vater zu kämpfen. Erst wurden sie ihres Gymnasiums verwiesen, dann mussten sie Kriegsdienst leisten. Die beiden Jungen, Dieter und Fritz, wurden in einem Arbeitslager untergebracht. Dieter ist zu diesem Zeitpunkt maximal 12 Jahre alt gewesen. Die Mädchen, Hilde und Inge, mussten im Schlachthaus und im Krankenhaus arbeiten. Selbst nach Ende des Krieges war es für Menschen mit jüdischen Wurzeln nicht einfach, Anstellungen zu erhalten. Fritz Gütermann berichtete in diesem Zusammenhang, dass die Brandmarkung seines Vaters als Jude seine berufliche Laufbahn, selbst 30 Jahre nach dessen Tod, noch stark beeinträchtigt hat.
Das Saalfelder Bier ist, wie Sie sicherlich wissen, sehr bekannt und hoch prämiert. Mitglieder der Familie Gütermann leiteten über Jahre hinweg das bürgerliche Brauhaus. Sollten Sie die Station am Brauhaus noch nicht erkundet haben, laden wir Sie hierzu herzlich ein.