Haushalts- und Spielwarengeshäft Sally Becker
„Der Idee eines Wachdienstes kann ich nur mit Freude gegenüberstehen. Ein solcher Schutz unserer Geschäfte fehlt in Saalfeld schon lange. Ladenbesitzer müssen in der Angst leben, sie könnten ausgeraubt werden. Ein Wachdienst würde diese Angst verkleinern. Es haben bereits 40 Händler aus Saalfeld mit ihrer Unterschrift ihr Interesse an einem Nachtwächter bekundet und ich werde auch unterschrieben. Mit etwas Glück kann das Wachgeschäft schon ab nächsten Monat für die Sicherheit unserer Läden sorgen.“
So oder ähnlich muss Salomon Becker (*1873), genannt Sally, über die Idee eines Wachdienstes in Saalfeld gedacht haben, denn 1930 unterschrieb er eine Interessenbekundung zur Einstellung von zwei Nachtwächtern. Sally Becker lebte mit seiner Frau Theresa (*1878) und ihren drei gemeinsamen Kindern in der Saalstraße 18. Sein Geschäft, an dessen Standort sich heute nur noch ein Parkplatz befindet, wollte er auch bei Nacht gut bewacht wissen. Sally Becker steht in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu Otto Becker, der das Kaufhaus Becker und Salinger auf der genau gegenüberliegenden Straßenseite führte, jedoch war Sally Becker in Saalfeld eng vernetzt. Auf der Hochzeit seiner jüngsten Tochter Frieda war Gustav Steinberg, Besitzer des Bekleidungshauses Steinberg, Trauzeuge und es ist bekannt, dass das Haus der Familie Becker stets viele Besucher empfing. Hierzu könnte sich der älteste Sohn von Sally Becker, Georg Becker (*1900), wie folgt geäußert haben.
„Johanna reist morgen ab, das ist schade, ich mochte sie immer gern. Sie sagt, sie geht zurück nach Iserlohn, wo sie aufgewachsen ist und will dort als Verkäuferin arbeiten. Johanna hat fast ein ganzes Jahr bei uns gewohnt. Ich mag es, wenn Gäste bei uns wohnen. Schon seit meiner Kindheit waren oft Freunde, Angestellte und Bekannte bei uns Zuhause. Es beten ja auch alle zusammen bei uns. Sonst gibt es in Saalfeld nämlich keine richtige Synagoge, nur der kleine Gebetsraum in unserem Haus. Seit meiner Bar Mitzwa vor zwei Jahren bete ich auch immer mit. In letzter Zeit können wir leider nicht so häufig zusammen beten, weil nicht genug Leute kommen. Wir brauchen für einen Gottesdienst mindestens zehn erwachsene Männer, aber in Saalfeld gibt es manchmal nicht genug. Ich denke, ich werde es wie Johanna machen und von hier wegziehen. Vielleicht nach Erfurt oder Leipzig, das wäre sicherlich aufregend.“
Tatsächlich zieht Georg Becker mit nur 15 Jahren, kurz nach Johanna Mosbach, die von 1914-1915 zur Miete bei den Beckers wohnte, nach Leipzig um. Das war zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich, denn viele Eltern schickten ihre Kinder für ein Jahr von zuhause weg, damit sie das „Leben kennenlernen“. In diesem Zusammenhang haben auch immer wieder junge Leute für einen begrenzten Zeitraum bei den Beckers gelebt. Es wird vermutet, dass das Haus der Familie Becker einen Gebetsraum innehatte. Es gibt hierfür allerdings keine eindeutigen Beweise. Was jedoch feststeht, ist, dass der Boykottaufruf den Geschäften der Familie Becker stark zusetzte. Bereits 1933 zogen Sally Becker und seine Frau nach Rudolstadt um. Ob sie dem Holocaust zum Opfer fielen oder flüchten konnten, bleibt unklar.